Mein Weg
Aufrechter Gang
Ich bin ein Berliner. 1952 geboren im Reinickendorfer Ortsteil Hermsdorf, aufgewachsen im angrenzenden Waidmannslust. Dort Grundschule, heute Münchhausen-Grundschule. Abitur am Bertha-von-Suttner-Gymnasium im Ortsteil Reinickendorf. Dort – wie bei Journalisten oft üblich – erste „journalistische“ Erfahrungen bei der Schülerzeitung. Diese verursachte damals einigen Wirbel. Die Frage, ob das Petting gesundheitsschädlich sei, durfte seinerzeit nicht in einer Schülerzeitung erörtert werden. Aufrechter Gang. Die Zeitung wurde vor der Schule verteilt. Ich gehöre zur Generation, die Dank der Ausweitung des Bildungswesens ohne Studiengebühren zahlen zu müssen Universitäten besuchen durfte. Studium der Publizistik, Politologie und Philosophie an der Freien Universität Berlin, Abschluss Magister Artium, „mit Auszeichnung“. Thema der Magisterarbeit: „Der lange Weg zur IG Kultur – Von den Anfängen der deutschen Arbeiterbewegung bis zum Jahr 1975-„.
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Zielstrebig ging ich meinen Weg in Richtung Radiojournalismus: Neben dem Studium und danach Arbeit für RIAS-Berlin, dort vorwiegend in der Jugendsendung „Treffpunkt“ sowie für Radiosendungen in ARD-Anstalten. Ich schrieb über Medienpolitik in Fachdiensten, weshalb ich wohl auch für die Pressestelle des SFB „entdeckt“ wurde, in der ich 1978 festangestellt wurde. Fünf Jahre lange blieb ich stellvertretender Pressesprecher des SFB.Zw
Die Jahre beim SFB
Ab 1978 also Pressestelle des SFB, Intendant damals: der 2018 verstorbene Sozialdemokrat Dr. Wolfgang Haus. 1983 Wechsel in den „Zeitfunk“ – mein eigentliches Ziel – als Redakteur und Moderator aktuelles Radio gestalten, das schnelle Medium. Es gab zunächst noch keine starke Konkurrenz durch Privatsender. Die populärsten Sendungen hießen „Rund um die Berolina“, „Echo am Morgen, „… am Mittag und später … am Abend“. Übrigens: Wenn der SFB zum Fest vor dem Funkhaus an der Masurenallee rief, kamen 250.000 Menschen, zum Fest am Wannsee gar 300.000 – über die AVUS war kein Durchkommen mehr. Für die Pogrammaktion auf SFB2 zur Verkehrssicherheit,„Aber sicher“, erhielt ich den Christophorus-Preis. Der wunderbarste, unvergessliche Höhepunkt dieser „Zeitfunk“-Zeit waren jedoch der Abend und die Nacht vom neunten auf den zehnten November1989, als die Berliner Mauer fiel. Meine Schilderung dieser „Nacht der Nächte“ lesen Sie in meinem Blog, hier.
„Mein Ding“: Inforadio
Die Bundesregierung zog in der Folge der Deutschen Einheit nach Berlin, meine Heimatstadt wurde auch de jure Hauptstadt. „Die Stadt braucht ein Nacherichtenradio“, befand der damalige SFB-Intendant Günter von Lojewski. Ende August 1995 war schließlich Sendestart. Es war, schwierig genug, ein Gemeinschaftsprojekt des Senders Freies Berlin (SFB) und des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB), in die Gänge zu bekommen. Reibungsverluste zwischen den Sendern.
Inforadio war – einfach gesagt – „mein Ding“. Eine echte Herausforderung. Das erste vollständig mit digitaler Technik arbeitende Nachrichtenradio in Deutschland. Natürlich war es zugleich auch gestalterisch Neuland – kein Magazinprogramm, alles ohne Musik! Es kam ein hochmotiviertes Team zusammen. Niemand konnte sich diesem gemeinsamen Willen zum Erfolg entziehen.
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In dieser Gründungsphase hatten wir einen Chefredakteur Inforadio, den 2014 verstorbenen, früheren Nachrichtenchef des SFB, Reinhard Holzhey, der uns einfach machen ließ, der spürte, wie sich dieses Team stets selbst motivierte und antrieb. Und das in einer flachen Hierarchie. Wo gibt es denn so etwas, dass ein nicht an hierarchischer Spitze stehender Redakteur wie ich ein fast einstündiges Interview mit dem Bundeskanzler – damals Gerhard Schröder – nicht nur selbstständig organisieren soll, sondern auch noch selbst führen darf? Oder dass ich 2009 gar den Bundespräsidenten – seinerzeit Horst Köhler – in „Zwölfzweiundzwanzig“ zu Gast hatte, Aufzeichnung im Studio von Inforadio.
Maßstäbe setzen
Erst einmal mussten alle mit der Technik zurechtkommen. „Wir haben hier gerade ein technisches Problem…“ Es galt, in diesem recht unterschiedlich zusammengesetzten Team vor allem, hohe journalistische Maßstäbe zu setzen und dem Programm eine Reputation in der Hauptstadt, in dem sie umgebenden Brandenburg und auch bundesweit zu erarbeiten. Der Durchbruch zu deutlich steigenden Hörerzahlen kam 1997 mit der „Oderflut“, als Inforadio nicht nur als Kommunikationsplattform für beteiligte Behörden, sondern auch als stete Möglichkeit angenommen wurde, die betroffene Bevölkerung über den neuesten – im wahrsten Sinne des Wortes – Wasserstand zu informieren.
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Ich kann sagen, dass ich dieses Programm als Redakteur, Chef vom Dienst und vor allem auch als Moderator – zusammen mit diesem hochengagierten Team – mit geprägt habe, 10 Jahre ganz sicher durch meine Moderation des Frühprogramms ab sechs Uhr morgens. Ich habe in dieser Zeit rund 3.500 Interviews geführt und war jährlich mehr als 200 Stunden „on air“. Ich hatte eine gewisse Popularität erarbeitet. Es gab Familien, die men „Guten Morgen!“ nachahmten. Viele positive Zuschriften motivierten zum frühen Aufstehen.
2009 Gast in „Zwölfzweiundzwanzig“:
Bundespräsident Horst Köhler.
„Zwölfzweiundzwanzig – Zu Gast bei Ingo Kahle“
10 wunderbare Jahre
2006, also 10 Jahre vor meinem Ausscheiden aus dem rbb, mithin zum Ende meines Berufslebens, erhielt ich die Chance, auf dem sehr guten Sendeplatz samstags von 12:22 bis 13.00 Uhr die neu geschaffene Sendung „Zwölfzweiundzwanzig – Zu Gast bei Ingo Kahle“ als alleiniger Redakteur und Moderator gestalten zu dürfen; lediglich unterstützt von meiner Assistentin Gabriela Götze – danke! – und technisch von vielen hochprofessionellen Kolleginnen und Kollegen im rbb und im ARD-Hauptstadtstudio, Auch ihnen herzlichen Dank!
Ich habe in diesen 21 Jahren Inforadio sehr viel intellektuelle, emotionale und körperliche Kraft aufgebracht und enorm viel Zeit investiert. Der Dank der Hörerinnen und Hörer war stets der hohe Lohn dafür.
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Was ich angesichts der Vorgänge im rbb betonen muss: Boni oder mehr Grundgehalt außerhalb der Tarifsteigerungen gab es dafür nicht. Ich habe dem Sender zwar Renommee gebracht, war aber keine Führungskraft, wurde mir gesagt. Mitte 2016 trat ich vorzeitig in den Ruhestand.
In den Ruhestnd ging ich nicht weil ich etwa müde war. Es gab interne wie persönliche Gründe, Punkt. Spekulieren lohnt nicht. Ich werde oft gefragt, ob ich diese doch so überaus interessante Arbeit vermisse. Ich antworte dann meist: „Das mag manchmal so sein. Aber im selben Moment denke ich dann, Du kennst den hohen Preis, den es Dich (gern!) gekostet hat – bis ins Privatleben hinein – diese Sendung so zu machen und zu diesem Erfolg zu führen. Deshalb: Jetzt ist eine andere Zeit.“
Abschließend noch ein sehr persönliches Wort: Es sind in diesen achtunddreißig Jahren – was die Karriere angeht – einige Kolleginnen und Kollegen an mir vorbeigezogen, Eine Reihe von ihnen scheiterte an ihren Aufgaben. Ich blicke mit Stolz auf ein erfolgreiches Berufsleben zurück.